Begleiten und Evaluieren – Syspons im Interview ,
Seit dem Startschuss am 15. November 2019 konnte der Förderansatz "Moscheen für Integration" trotz der Corona-Krise bundesweit in vielen Kommunen und Gemeinden in ersten Schritten etabliert werden. Die pandemiebedingten Kontakteinschränkungen haben den Beginn der Arbeit mit und in den Gemeinden zwar deutlich verzögert. Doch mit geeinten Kräften und innovativen Ideen gelang der erfolgreiche Start in das bundesweite Modellvorhaben.
So sind die Partnergemeinden der vier Trägerorganisationen äußerst vielseitig aufgestellt: sowohl junge als auch etablierte, verbandsgebundene oder auch verbandsungebundene Gemeinden konnten für eine Zusammenarbeit gewonnen werden. Erste Schulungen und Workshops finden in digitalen Formaten oder als Präsenzveranstaltungen unter Einhaltung der lokalen Hygienebestimmungen statt.
Begleitet und wissenschaftlich evaluiert wird das bundesweite Vorhaben während der auf drei Jahre angelegten Modellphase von der Berliner Beratungsgesellschaft Syspons. Im DIK-Interview berichten Geschäftsführer Dr. Christoph Emminghaus und die Projektleiterin Marion Rädler gemeinsam, welche Chancen und Herausforderungen aus ihrer Sicht "Moscheen für Integration" mit sich bringt.
Drei Jahre begleiten Sie die Pilotphase zu "Moscheen für Integration" wissenschaftlich. Wie genau gehen Sie dabei bei Ihrer Arbeit vor?
Quelle: Maria Dominika
Rädler: Zum einen sind wir Beobachter des Prozesses und geben Impulse auf der Grundlage dieser Beobachtungen. Zudem begleiten wir die vier Trägerorganisationen bei der Umsetzung ihrer Projekte, stellen den aktuellen Bedarf fest und greifen diesen dann im Projektteam oder auch in Netzwerktreffen auf. Als dritte Komponente unterstützen wir das BAMF bei der Umsetzung des Förderansatzes, indem wir die Netzwerktreffen der Träger und die Sitzungen des Beirates, die zweimal im Jahr stattfinden, organisieren und ein regelmäßiges Monitoring über die Trägeraktivitäten in den Moscheegemeinden durchführen.
Emminghaus: In der Vorbereitungsphase wurde mit dem BAMF und den Trägern festgelegt: Was bedeutet Erfolg? Was bedeutet Wirkung? Ziel ist es, islamische Moscheegemeinden und alevitische Cem-Häuser als zivilgesellschaftliche Akteure zu stärken und eine bessere Vernetzung der Gemeinden in den Kommunen zu schaffen. Unsere Erwartung ist es, dass wir Unterschiede zwischen heute und der Entwicklung nach drei Jahren sehen können. Dafür erheben wir über ein Monitoring Daten zu Veranstaltungen, Trainings und Rückmeldungen der Teilnehmenden in den Gemeinden. Zusätzlich führen wir regelmäßig Gespräche mit Trägern, Expertinnen und Experten und unternehmen Fallstudien.
Sie erarbeiten im Vorfeld einen Bewertungsmaßstab, stellen über die drei Jahre hinweg gleiche Fragestellungen an Beteiligte. Woran genau können Sie die Wirkung des Förderansatzes festmachen? Wie können Sie genau feststellen, ob "Moscheen für Integration" erfolgreich ist?
Emminghaus: Hierfür gibt es Methoden. Mit der theoriegeleiteten Evaluation werfen wir einen Blick auf die Qualifikationen, die es seitens aller Beteiligten braucht, um zum Ziel zu kommen. Des Weiteren wenden wir den methodischen Ansatz der Kontributionsanalyse an, mittels derer wir den Wirkungszusammenhang untersuchen: Was hat sich verändert? Wir gehen davon aus, dass der Förderansatz einen Beitrag, eine sogenannte Kontribution zur Erreichung eines Ziels leisten kann. Diesen versuchen wir zu messen und zu bewerten. Im Wirkungsmodell, das wir zu Beginn entwickelt haben, werden für drei Zieldimensionen die erwünschten Wirkungen aufgezeigt und hierfür erforderliche Aktivitäten, Leistungen und Ressourcen definiert. Die Zieldimensionen greifen die Idee des Förderansatzes auf: 1. Stärkung der Moscheegemeinden als zivilgesellschaftliche Akteure, 2. Stärkung und Verstetigung der Vernetzung vor Ort und 3. Auswertung des öffentlichen Diskurses.
Rädler: Durch einen Vergleich der Ausgangssituation evaluieren wir den Verlauf über den Förderansatz und die Situation nach Ende der Pilotphase, inwieweit die Ziele des Förderansatzes erreicht werden konnten und welche Maßnahmen hierauf einen Einfluss hatten. Eine mögliche Entwicklung könnte beispielsweise folgende sein: Vielerorts wird bereits ehrenamtlich soziale Beratung durchgeführt. Schulungen von Beraterinnen und Beratern, eine Vernetzung mit der Beratungsinfrastruktur vor Ort oder Schulungen zur Einwerbung von Mitteln, mit denen aus ehrenamtlichen Stellen hauptamtliche werden, sind hier denkbare Fördermaßnahmen, um eine Professionalisierung der sozialen Arbeit in den Gemeinden zu erreichen.
Wie bewerten Sie die Entwicklungen im Förderansatz "Moscheen für Integration" seit dem Start?
Emminghaus: Die teilnehmenden Gemeinden haben sehr unterschiedliche Voraussetzungen. Es ist ein Unterschied, ob bereits gewachsene Beziehungen in die Kommune oder zu anderen Akteuren bestehen, oder ob es sich um junge Gemeinden handelt.
Rädler: Was man aber sagen kann, ist, dass die Arbeit überall gut angelaufen ist. Es haben sich kompetente und diverse Projektteams gebildet. Die Trägerorganisationen sind bundesweit verteilt aktiv. Und die ersten Entwicklungen sind vielversprechend. Gerade bei den jungen Gemeinden können wir beobachten, dass es darum geht, diese zu befähigen, erste Kontakte zu ihrer Kommune aufzunehmen und aufzubauen, um sich so Schritt für Schritt als zivilgesellschaftlicher Akteur in der eigenen Nachbarschaft vor Ort entwickeln zu können. An Standorten, an denen Vernetzung bereits gelebte Praxis ist, geht es im Förderansatz mehr um Qualifizierung und Professionalisierung des bereits Aufgebauten.
Stichwort Corona-Pandemie - mit welchen Herausforderungen ist der Förderansatz aufgrund der Bestimmungen rund um den Infektionsschutz konfrontiert und wie haben die Trägerorganisationen und Moscheegemeinden darauf reagiert?
Rädler: In vielerlei Hinsicht litten und leiden die Gemeinden unter der aktuellen Situation. Das Gemeindeleben war zum Erliegen gekommen – und dies auch im Fastenmonat Ramadan, einer Zeit, in der es normalerweise besonders aktiv zugeht. Auch der Kontaktaufbau der Träger zu den Partnergemeinden war erschwert, hat sich jedoch durch virtuelle Formate sehr gut entwickelt. Denn die Träger und die Gemeinden unternehmen erhebliche Anstrengungen und zeigen eine große Flexibilität. So werden etwa Schulungen zu Vereinsrecht, Projektmanagement oder Medienkompetenz online durchgeführt. Die Frage, wie die Moscheegemeinden ihre Mitglieder auch virtuell erreichen können, hat einen großen Stellenwert eingenommen. Hier bieten sich mit Blick auf die jungen Gemeindemitglieder neue Chancen.
Quelle: Maria Dominika
Emminghaus: Es entwickelt sich viel Positives: Zum Beispiel tauschen sich die Trägerorganisationen häufiger in Arbeitsgruppen auf digitalem Wege aus, als dies sonst aufgrund der räumlichen Distanz der Fall gewesen wäre. Auch die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus den Gemeinden eines Teilprojekts schalten sich nun monatlich zusammen. Ohne Corona hätten "nur" halbjährliche Vernetzungstreffen stattgefunden. Hier kommt also durch die veränderte Situation tatsächlich mehr Austausch zustande. Und mancherorts werden unter Einhaltung der Hygieneregeln erste Präsenzangebote durchgeführt. Beispielsweise treffen sich Moscheegemeinden und Integrationsbeauftragte einiger Kommunen wieder zum persönlichen Gespräch am Runden Tisch. Auch die Trägerorganisationen sind hier involviert. Und es wird von ersten Angeboten in Moscheegemeinden berichtet, bei denen die Mitglieder sowie interessierte Anwohnerinnen und Anwohner willkommen sind. So z.B. eine Gesprächsrunde im Zuge der internationalen Wochen gegen Rassismus, bei der es um die Rolle des Islam geht.
"Moscheen für Integration" ist ein neuer Förderansatz. Was reizt Sie persönlich daran, diesen zu begleiten?
Emminghaus: Das Selbstverständnis von Syspons ist es, zu gesellschaftlichen Innovationen beizutragen. Mit "Moscheen für Integration" haben wir ein Projekt, das mit und für Menschen vor Ort gemacht ist.
Rädler: Das gesellschaftliche Miteinander liegt mir am Herzen. Meines Erachtens müssen bei den Stichworten Integration und Öffnung immer beide Seiten bedacht werden. Darum geht es auch im Förderansatz. Alle Seiten müssen sich öffnen, miteinander ins Gespräch kommen, den Mehrwert sehen – um miteinander etwas für das Zusammenleben vor Ort zu schaffen, unabhängig von der Glaubensrichtung.