Nachwuchsförderung für Austausch auf Augenhöhe ,
Mit intensivem Engagement in der Sozialen Arbeit stärken islamische Gemeinden in Hamburg ihre Verbindung zu gesellschaftlichen Akteuren und Behörden. Das Teilprojekt "Vernetzt und Aktiv - Empowerment alevitischer und muslimischer Organisationen" des Paritätischen Gesamtverbandes schaffte dafür die Basis.
Quelle: © Stop press/Helmut Stapel
"Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sind bei unserer Vernetzung das A und O. Unser Ziel ist es, soziale Bedarfe unserer Gemeindemitglieder aktiv zu ermitteln und dann gemeinsam mit offiziellen Stellen der Kommune Lösungen zu finden"
, betont Daniel Abdin, Vorsitzender der Al-Nour Gemeinde im Stadtteil Hamburg-Horn. Im Rahmen des Teilprojekts "Vernetzt und Aktiv" haben sich sieben junge Männer und Frauen der Gemeinde zu solchen Multiplikatoren weitergebildet. Ihre Aufgaben: Ratsuchenden aus der Gemeinde zuzuhören und Hilfestellung zu geben. "Das können familiäre Konflikte ebenso sein wie Suchtprobleme oder Diskriminierung"
, sagt der 60-jährige. "In der vertrauensvollen Umgebung der Gemeinde öffnen sich die Leute."
Durch die anschließende Verweisberatung durch die Multiplikatoren an professionelle Anlauf- und Beratungsstellen schließe sich dann ein Kreis, der vor der Teilnahme an dem Projekt nicht vorhanden gewesen sei.
Umgesetzt wurde "Vernetzt und Aktiv", in dessen Rahmen diese Entwicklung möglich war, in Hamburg durch den Paritätischen Gesamtverband (Landesverband Hamburg). Ein weiterer Standort war Berlin. Das Projekt war Teil des Förderansatzes "Moscheen für Integration – Öffnung, Vernetzung, Kooperation", der am 31. Dezember 2023 nach vierjähriger Laufzeit beendet wurde. Ziel von "Vernetzt und Aktiv" war es, das zivilgesellschaftliche Engagement – wie Kinder- und Jugendarbeit oder Verweisberatung – in den beteiligten islamischen Gemeinden zu stärken und zu professionalisieren.
Diskussionen zum Islam, Demokratie und Frauenrechten
Beim Gang durch die Moschee betont Daniel Abdin: "Durch 'Vernetzt und Aktiv' ist außerdem der interkulturelle Dialog deutlich angeschoben worden. Wir können nun dank der projektbedingten, stärkeren Einbindung junger Menschen in unserer Gemeinde auch mehr Moscheeführungen anbieten. Drei bis viermal die Woche finden hier solche Führungen mit anschließender Diskussionsrunde statt."
Themen wie islamische Glaubenspraxis, demokratische Werte oder Frauenrechte kommen zur Sprache. "Tabuthemen gibt es dabei nicht. Vorurteile und Ängste werden angesprochen. Nur so können wir aufklären."
Mit gegensätzlichen Argumenten zu gegenseitigem Verständnis
Auch die Hamburger Moscheegemeinde Masjid Rahma e.V. hat die Frage des gegenseitigen Austausches im Rahmen von "Vernetzt und Aktiv" aufgegriffen: Sogenannte "Town Hall Debates" bieten Raum für kontroverse Debatten zu unterschiedlichen Themen und gehören zur Kommunikationskultur speziell in Ghana. Ein großer Teil der gut 500 Gemeindemitglieder stammt aus diesem afrikanischen Land. "Wir haben zwei große 'Town Hall Debates' mit Jugendlichen aus unserer Gemeinde organisiert"
, erzählt Ikimatou Saiboulaye. Die 27-jährige Studentin ist seit gut zehn Jahren bei Masjid Rahma aktiv, aktuell in der Jugendarbeit und im Frauenvorstand.
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"Durch die 'Town Hall Debates' haben wir gelernt, auch andere Sichtweisen auf ein Problem zu verstehen"
, erzählt Mabouka Saiboulaye. "Wenn ich nur auf meinem Standpunkt beharre, kann es kein Miteinander in unserer Gesellschaft geben"
, sagt die 19-jährige Studentin. "Chancengerechte Teilhabe" und "Muslime und Bildung" waren die Themen der beiden Debatten. Teilgenommen haben jeweils 14 Jugendliche ab 16 Jahren – aufgeteilt zur Hälfte in die Pro- und die Contra-Gruppe. Shifau Salami war beim Thema "Chancengerechte Teilhabe" in der Contra-Gruppe. "Ich habe durch die Diskussion erfahren, dass Probleme am besten gemeinsam gelöst werden und dass es auch offizielle Anlaufstellen dafür gibt – wie beispielsweise die Antidiskriminierungsstelle der Stadt Hamburg"
, so die 20-Jährige.
Als Podium hatte der Familienverein Masjid Rahma e.V. die Universität Hamburg im Rahmen einer kulturellen Veranstaltung gewählt, um die größtmögliche öffentliche Wahrnehmung zu gewährleisten. Auch Politiker und Politikerinnen verschiedener Parteien waren anwesend, die bei der anschließenden Diskussion auf der Bühne saßen. "Es hatte eine sehr positive Wirkung, dass die Politik die Sorgen und Sichtweisen junger Muslime aus erster Hand gehört hat"
, betont Ikimatou Saiboulaye. Der Austausch mit der Verwaltung sei seitdem wesentlich besser, weil sich in der Folge direkte Kontakte und Ansprechpartner ergeben hätten.
Multikulturelle Kita soll Religionen und Menschen verbinden
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Einen großen Fortschritt hat durch "Vernetzt und Aktiv" auch die Alevitische Gemeinde Alevi Kültür Merkezi e.V. (BAKM) im Stadtteil Bergedorf gemacht. "Wir planen schon seit Längerem eine multikulturelle Kindertagesstätte. Im Rahmen des Teilprojektes haben wir junge Erwachsene aus unserer Gemeinde in die Planungen mit eingebunden, um das Interesse und das langfristige Engagement zu wecken"
, erzählt Alper Dogan, der seit gut zwei Jahrzehnten in der Gemeinde Bergedorf aktiv ist. "Es sind sogar frisch ausgebildete Erzieher dabei. Dadurch ist neuer Schwung in das Konzept gekommen."
Betreuerin des Kita-Projektes beim BAKM ist Zara Simsik.
"Durch den generationsübergreifenden Austausch haben wir jetzt eine wirklich zeitgemäße Planung. Die Kita wird ein Ort für Kinder jeder Konfession und Kultur"
, sagt die 24-jährige Lehramtsstudentin. Sobald das Konzept von den Behörden genehmigt sei, müssten im nächsten Schritt die notwendigen öffentlichen Geldmittel und der passende Bauplatz gesucht werden. Geplant sei, hauptamtliche Erzieherinnen und Erzieher mit passender Sprachkompetenz einzustellen. Zara Simsik: "Deutsch, Russisch, Türkisch, Arabisch – was gibt es Besseres für das Zusammenleben in Deutschland, als schon die Kinder unserer Gesellschaft gemeinsam groß werden zu lassen?"
"Moscheen für Integration – Öffnung, Vernetzung, Kooperation"
Der Förderansatz "Moscheen für Integration – Öffnung, Vernetzung, Kooperation" (MfI) unterstützte von 2019 bis 2023 muslimische und alevitische Gemeinden in Deutschland im Rahmen der Projektförderung der Deutschen Islam Konferenz. Die ausgewiesenen Ziele von MfI waren vor allem die Stärkung der Gemeinden als zivilgesellschaftliche Akteure sowie der Ausbau und die Verstetigung ihrer Vernetzung vor Ort. Der Förderansatz wurde durch vier Teilprojekte umgesetzt, die bei folgenden Trägern angesiedelt waren: dem Goethe-Institut e.V., der Otto Benecke Stiftung e.V., der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung GmbH und dem Paritätischen Gesamtverband.