Kontrovers, aber konstruktiv:
MuslimDebate 2.0 fördert Dialog auf Augenhöhe
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Das Projekt MuslimDebate 2.0 fördert den Austausch zwischen Musliminnen und Muslimen sowie anderen religiösen und gesellschaftlichen Gruppen – ein wichtiger Schritt für ein friedliches Miteinander.
Im "Blauen Saal" der Evangelischen Akademie zu Berlin ist fast jeder Platz besetzt. Auf dem Podium zwischen den blauen Wänden versammeln sich prominente Gäste mit sehr unterschiedlichen Perspektiven: Lamya Kaddor (Bündnis 90/Die Grünen), Jens Spahn (CDU/CSU) und Daniel Botmann (Zentralrat der Juden) diskutieren über Religionspolitik und die Herausforderungen, die eine multireligiöse Gesellschaft mit sich bringt. Das Publikum reagiert gespalten, Klatschen und ablehnendes Raunen treffen aufeinander. Eren Güvercin moderiert die Debatte. Er ist Leiter des Projekts MuslimDebate 2.0, das zum heutigen Abend eingeladen hat.
MuslimDebate 2.0 macht Vielfalt muslimischer Perspektiven sichtbar
MuslimDebate 2.0, ein Vorhaben der Alhambra Gesellschaft, bringt seit 2023 Musliminnen und Muslime mit anderen gesellschaftlichen Gruppen ins Gespräch, um die Vielfalt muslimischer Perspektiven sichtbar zu machen.
Quelle: Eren Güvercin
"Wir haben ganz unterschiedliche muslimische Lebensrealitäten in Deutschland. Diese Vielfalt der deutsch-muslimischen Community wird aber oft kaum wahrgenommen"
, erklärt Eren Güvercin. Das Projekt baut auf dem Vorgängerprojekt "MuslimDebate" auf, das innermuslimische Diskurse in den Fokus rückte. Mit der neuen Ausrichtung wurden die Themenauswahl und Zielgruppe erweitert, um den gesamtgesellschaftlichen Dialog zu fördern.
"Wir wollen uns aber auch selbstkritisch mit den 'blinden Flecken' in unserer muslimischen Community auseinandersetzen, mit Themen, über die man nicht sprechen will"
, so Güvercin. Das Projekt thematisiert u. a. anti-alevitischen Rassismus, politischen Missbrauch von Religion, Demokratiefeindlichkeit und rechtsextreme Verschwörungsnarrative.
Religionspolitik im Fokus
Bei der Podiumsdiskussion in Berlin geht es um aktuelle Herausforderungen für die Religionspolitik. Unter den Kronleuchtern im Blauen Saal wird hitzig diskutiert: über die politische Verantwortung von Religionsgemeinschaften, sich von Extremismus zu distanzieren und die Verantwortung der Politik, alle Religionsgemeinschaften einzubeziehen. In einem Punkt sind sich jedoch alle einig: Mehr Dialog ist notwendig, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern. Genau hier setzt MuslimDebate 2.0 an.
Geschlossene und öffentliche Veranstaltungen für tiefgehende Diskussionen
Quelle: BAMF
Um einen tiefen Austausch zu ermöglichen, bietet das Projekt neben öffentlichen Veranstaltungen auch geschlossene Formate an. Vor der Podiumsdiskussion fand eine mehrtägige Tagung statt, bei der Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Religionsgemeinschaften, der Zivilgesellschaft und Politik intensiv über Religionspolitik diskutierten. Christina Sawatzki von der Evangelischen Akademie zu Berlin hat daran mitgewirkt und lobt das Format: "An den runden Tischen ist eine spannende Dynamik entstanden, weil von Teilnehmenden aus allen drei abrahamitischen Religionen herausgestellt wurde, was für ein positives Potenzial Religion haben kann. Und was man von den jeweils anderen Religionen lernen und aufnehmen kann."
Das sei wichtig, findet Sawatzki, denn die Parallelen innerhalb der unterschiedlichen Religionen sehe man viel zu selten.
Für die Teilnehmerin Jordanka Telbizova-Sack von der Evangelischen Akademie Loccum sind gerade die kontroversen, aber konstruktiven Diskussionen entscheidend: "Dies fördert nicht nur die Reflexion innerhalb der muslimischen Gemeinschaft, sondern ermutigt auch die Mehrheitsgesellschaft, ihre Perspektiven kritisch zu hinterfragen."
Auch Tagungsteilnehmer Akif Şahin beschreibt den Austausch als bereichernd: "Besonders schätze ich die sachliche und tiefgehende Art der Diskussionen, die mir das Gefühl geben, wirklich etwas bewegen und verändern zu können."
Die Ergebnisse der Tagungen bleiben nicht hinter verschlossenen Türen, sondern werden in Form von Handreichungen veröffentlicht und bei öffentlichen Veranstaltungen wie im Blauen Saal auf die Bühne gebracht.
Dialog als Antwort auf gesellschaftliche Spannungen
Eren Güvercin sieht im Dialog einen wichtigen Schritt, um gesellschaftliche Spannungen abzubauen. Gerade in Zeiten, in denen extremistische Tendenzen zunehmen, sei es wichtig, als Gesellschaft ins Gespräch zu kommen, erklärt er. MuslimDebate 2.0 ermöglicht es, bei unterschiedlichen Diskussionsveranstaltungen miteinander zu sprechen, statt nur übereinander.
Quelle: BAMF
"Die Polarisierung, die wir auf Social Media und den Straßen sehen, die habe ich auch an diesem ertragreichen Abend gesehen"
, schildert Dr. Dmitrij Belkin seinen Eindruck der Publikumsdiskussion im Blauen Saal. Er ist Geschäftsführer der Nathan Peter Levinson Stiftung und ehemaliger Leiter der "Denkfabrik Schalom Aleikum". Belkin wünscht sich, dass der Dialog zwischen unterschiedlichen Religionsgemeinschaften, speziell zwischen jüdischen und muslimischen Stimmen, unbedingt fortgesetzt wird und dabei auch über kontroverse Themen wie den Nahost-Konflikt gesprochen wird: "Wir müssen uns mehr anhören, um dann auch darüber diskutieren zu können, bisweilen auch in nicht-öffentlichen Räumen"
, findet er.
Am Ende des Abends sind sich weder Publikum noch Podium in allem einig, doch die Überzeugung bleibt: Es braucht mehr Austausch auf Augenhöhe, auch zu kontroversen Themen. MuslimDebate 2.0 bietet einen Raum dafür und leistet damit einen wichtigen Beitrag für mehr gegenseitiges Verständnis in polarisierenden Zeiten.
MuslimDebate 2.0 – Gesellschaft gemeinsam gestalten!
MuslimDebate 2.0 – Gesellschaft gemeinsam gestalten! ist ein Projekt der Alhambra Gesellschaft e.V., das seit 2023 den Dialog zwischen muslimischer und nicht-muslimischer Zivilgesellschaft fördert. Es zielt darauf ab, innermuslimische Diskurse sichtbar zu machen und Debatten zu gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen zu fördern. Dabei werden Themen, die über religionsspezifische Belange hinausgehen, gemeinsam von muslimischen, jüdischen, christlichen und anderen zivilgesellschaftlichen und politischen Akteuren diskutiert.
Das Projekt bietet nicht-öffentliche Wochenendtagungen zu verschiedenen Themen, gefolgt von Handreichungen, die die Ergebnisse dokumentieren. Parallel dazu finden öffentliche Diskussionsrunden statt, die online als Videos verfügbar sind. MuslimDebate 2.0 wird im Rahmen der Deutschen Islam Konferenz vom Bundesministerium des Inneren und für Heimat gefördert.