"DIK-Tagung Muslimisches Engagement im gesellschaftlichen Diskurs": Projektdokumentation , Datum: 10.02.2021, Format: Meldung, Bereich: Im Dialog

"MuslimDebate": Neue Räume für kontroverse Debatten

"MuslimDebate" eröffnet einen Raum für den Austausch zwischen ganz unterschiedlichen muslimischen Akteuren, die ansonsten selten zusammenkommen.

"Wir wollen Denkanstöße und Impulse zur Selbstreflexion liefern und so zu mehr Mündigkeit von jungen Muslimen beitragen," sagt Projektleiter Eren Güvercin von der Alhambra Gesellschaft e.V.. Dabei stehen besonders kontroverse Themen wie etwa "Antisemitismus unter Muslimen", "Meinungsfreiheit versus Religionsfreiheit" oder "Was ist ein politischer Islam?" im Mittelpunkt.

Das Projekt startete Anfang 2020, als Corona Teile des Programms ausbremste, so dass nicht alle geplanten Debatten stattfinden konnten. Nach dem Konzept von "MuslimDebate" werden die Themen zunächst in einer geschützten, nicht-öffentlichen Runden besprochen, bevor es in einem zweiten Schritt an die Öffentlichkeit geht. Das Thema "Antisemitismus unter Muslimen" wurde im Oktober 2020 zunächst nicht-öffentlich gemeinsam mit dem Antisemitismusbeauftragen der Bundesregierung, Felix Klein, besprochen. Am 20. Januar wird die öffentliche Podiumsdiskussion dazu Online stattfinden.

"Wir wollen, dass muslimische Stimmen sprachfähig, selbstbewusst und reflexiv werden," sagt Güvercin. Häufig verstünden sich Muslime als Opfer in einer polarisierten öffentlichen Debatte, wodurch eine "diskursive Schieflage" entstehe. "MuslimDebate" wolle dazu beitragen, dass sich junge Muslime statt als Objekte einer teils stereotypen Debatte zunehmend ermächtigen und als Subjekte mehr in der Gesellschaft sichtbar werden.

#gemeinsammenschlich: Auf das Verbindende setzen

Der Verein JUMA steht für jung, muslimisch und aktiv. Mit seinem Projekt #gemeinsammenschlich stärkt der Verein junge Muslime unterschiedlicher religiöser und ethnischer Ausrichtung darin, sich mit ihren Meinungen, Wünschen und Ideen in die Gesellschaft einzubringen.

Die öffentliche Debatte betone vor allem die Unterschiede zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, sagt Dennis Sadik Kirschbaum von JUMA. Die 2019 gestartete Initiative #gemeinsammenschlich wolle dagegen menschliche Gemeinsamkeiten und die gelebte Normalität muslimischen Lebens in Deutschland hervorheben.

Dazu stellte JUMA in den Jahren 2019 und 2020 sechs muslimische Persönlichkeiten in Youtube-Videos, über soziale Netzwerke und auf Straßenplakaten vor. Sie werden als Persönlichkeiten präsentiert, die Freunde, Nachbarn und Arbeitskollegen sind und "die gesamte Bandbreite menschlicher Emotionen" teilen. JUMA stellt die Sechs in seiner Kampagne als Menschen mit vielschichtigen Identitäten dar. Die angehende Chirurgin, die Jura-Studentin oder der Schauspieler stehen für Muslime, die in Deutschland aufgewachsen sind und sich für die deutsche Gesellschaft engagieren. Als Straßenplakat sind sie bis Ende des Jahres an 150 Orten in Berlin, Leipzig, Stuttgart, Köln und Frankfurt a. M. zu sehen.

"Muslime können gängige Narrative erweitern", sagt Kirschbaum und sich in ihrer ganzen Vielfalt darstellen. Die Kampagne ziele darauf ab, die "bewegliche Mitte" der Gesellschaft zu erreichen. "Wir wollen einen narrativen Raum für neue Geschichten öffnen und damit auch die öffentliche Meinung positiv beeinflussen."

Klausurtagung #WirAlmanya: Identität, Repräsentanz und Partizipation

Das Projekt #WirAlmanya bietet jungen, engagierten Muslimen neue Räume zur Debatte über Selbstverständnis und ihre Rolle in der deutschen Gesellschaft.

Vom 30. Oktober bis zum 1. November luden die Bertelsmann Stiftung und die Deutschlandstiftung Integration rund 40 junge Musliminnen und Muslime zwischen 19 und 35 Jahren zur Online-Konferenz "#WirAlmanya Perspektive eines jungen Islams in Deutschland" ein. Der Student Mustafa B. hat an der Konferenz teilgenommen.

"Junge Muslime wünschen sich mehr Normalität", sagt B. "Sie wollen sich nicht ständig erklären müssen." Seit den Anschlägen von 9/11 sei es sehr kräftezehrend, immer als Muslim gesehen zu werden und sich rechtfertigen zu müssen. Gleichzeitig wollen junge Muslime ihre Perspektive auch stärker in die eigene Community einbringen.

Auf der Tagung reflektierten sie über ihr Selbstverständnis als Muslime und den aktuellen Stand muslimischen Lebens in Deutschland. Sie formulierten ihre Vorstellungen eines Islam in Deutschland für das Jahr 2030.

Daraus ergaben sich Anfragen an Politik, Bildungseinrichtungen, Medien und auch an die muslimische Community. Eine der zentralen Forderungen an die Politik war das Bedürfnis nach mehr Wertschätzung und Zugehörigkeit. Sie könnte sich etwa in der Einführung eines muslimischen Feiertags auf Länderebene oder einem eigenen Beauftragten für antimuslimischen Rassismus äußern. "Wir wünschen uns aber auch, dass die Moscheegemeinden einladender werden und ihre Türen zum Beispiel stärker für LGBTIQ-Personen öffnen," sagte B. "Außerdem wollen wir auch innerhalb der Community kritische Themen wie Anti-Schwarzen Rassismus oder mehr Teilhabe von Frauen ansprechen."

"Muslimisch gelesene Vielfalt im Gespräch": Stereotype Bilder aufbrechen

"Wer ist eigentlich Wir?" ist die Leitfrage des 2020 begonnenen Projektes der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Es will Bilder von "dem Muslim" differenzieren und sich vergewissern, wie vielfältig muslimisches Leben in Deutschland ist.

Das 2020 gestartete Projekt brachte Multiplikatoren aus Jugendprojekten der islamischen und migrantischen Vereins- und Verbandslandschaft zu einer dreitägigen Open-Space-Veranstaltung im November zusammen. "Wir wollten mit diesem neuen Format lernen, solidarisch Kritik zu üben, produktiv zu streiten und diese Botschaft auch in die Mehrheitsgesellschaft tragen", sagt Projektleiter Amir Alexander Fahim von der Türkischen Gemeinde in Deutschland.

Bei der Veranstaltung konnten die Teilnehmer den Konferenzverlauf selbst bestimmen. Von Rassismus in der Community über "Liebe interreligiös", Lebenswelten muslimischer Mütter bis hin zu Fragen, wie eine islamische Politik und Kultur aussehen könnten oder wie es gelingen kann, eine anti-patriarchale Kultur in der Community zu fördern, waren die Themen bewusst breit angelegt. Sie sollen in 2021 in Arbeitsgruppen weiter vertieft werden.

Das Projekt möchte Erfahrungen von Selbstwirksamkeit stärken und die Akteure dazu ermutigen, mehr Verantwortung zu übernehmen. Dazu sollen sie verstärkt Kompetenzen wie Konfliktfähigkeit und Ambiguitätstoleranz entwickeln und sich stärker in die Mehrheitsgesellschaft einbringen. Denn nur gemeinsam kann der gesellschaftliche Zusammenhalt gefestigt werden.

Text: Claudia Mende