"Eine wichtige und positive Erfahrung" – Interview mit Burhan Kesici , Datum: 19.05.2020, Format: Interview, Bereich: Im Dialog

Herr Kesici, wie haben Sie die Abstimmungen und den Austausch zu den Corona-bedingten Folgen für die Religionsausübung mit dem BMI und den Kirchen bzw. anderen Religionsgemeinschaften erlebt? Hat sich das bewährt?

Die Abstimmung und den Austausch mit dem Ministerium sowie den Religionsgemeinschaften habe ich als vertrauensvoll und konstruktiv empfunden. Es war eine wichtige und positive Erfahrung zu sehen, dass alle Beteiligten an einem Strang ziehen können, wenn es darauf ankommt. Die Gespräche in dieser schwierigen Zeit haben das Vertrauen untereinander gestärkt. Darauf lässt sich aufbauen.

Haben Sie – positive oder auch kritische – Rückmeldungen dazu aus den Mitgliedsverbänden des Koordinationsrats der Muslime (KRM) oder aus Moscheegemeinden erhalten?

Die Rückmeldungen der im Koordinationsrat der Muslime organisierten islamischen Religionsgemeinschaften sowie aus den Moscheegemeinden waren durchweg positiv. Die beschlossenen Maßnahmen wurden ausnahmslos mitgetragen und in den Gemeinden gut umgesetzt. Die enge Abstimmung mit dem Ministerium und den Corona-Experten wurde ebenfalls begrüßt.

Stellen Sie eine Geschlossenheit innerhalb des KRM fest, und war es gut, dass die im KRM mitwirkenden Verbände über den KRM "mit einer Stimme" sprechen konnten?

In dieser schwierigen Zeit ist der KRM eine große Stütze. Sicher gab es seit seiner Gründung Höhen und Tiefen, was allerdings durchaus normal ist. Schließlich haben sich dort zu Beginn die vier größten islamischen Religionsgemeinschaften in Deutschland zusammengeschlossen, heute sind dort sechs Religionsgemeinschaften vertreten. Dass es hier und da zu Meinungsverschiedenheiten kommt, darf nicht überraschen. In der Corona-Krise hat sich jedoch gezeigt, wie wichtig der KRM ist. Wir konnten – wenn es darauf ankam – in kurzer Zeit weitreichende und wichtige Entscheidungen zum Wohle aller treffen. Auch das war eine wichtige Erfahrung.

Wie würden Sie kurz und zusammengefasst den Umgang in den Gemeinden mit den Vorgaben und den KRM-Empfehlungen beschreiben? Gab und gibt es Verständnis für die Einschränkungen?

Die Vorgaben und die KRM-Empfehlungen wurden in den Moscheegemeinden durchweg mit Verständnis aufgenommen, auch wenn der Verzicht auf die gewohnte Umgebung in den Moscheegemeinden gerade im Fastenmonat Ramadan für viele schmerzlich war, besonders für unsere älteren Mitglieder. Uns allen war aber der Ernst der Lage bewusst, was dazu geführt hat, dass die vom KRM beschlossenen Maßnahmen gut umgesetzt wurden. Parallel dazu haben die KRM-Gemeinschaften mit digitalen Angeboten den Ausfall zumindest ein Stück weit kompensiert.

Haben Sie einen Überblick, in wie vielen Gemeinden das religiöse Leben mit den bestehenden Einschränkungen langsam wieder anläuft?

Der KRM hat den Moscheegemeinden in seinem Maßnahmenkatalog strikte Vorgaben gemacht, allerdings auch eine Reihe unverbindlicher Empfehlungen ausgesprochen. Es liegt an den Gemeinden, in örtlicher Absprache die Normalisierung langsam und behutsam wiederaufzunehmen. Manche haben bereits erste Schritte unternommen, andere wiederum sind noch in der Planung, wieder andere passen ihr individuelles Konzept aufgrund der ersten Erfahrungen an. Jede Moscheegemeinde ist individuell – sowohl in Bezug auf die Gemeindegröße und auch in Bezug auf die Räumlichkeiten. Deshalb ist ein bundesweit einheitliches Vorgehen oder eine Erfassung kaum möglich.