Uni-Seminar zur Deutschen Islam Konferenz , Datum: 23.09.2019, Format: Meldung, Bereich: Im Dialog

Im Sommersemester 2019 veranstaltete Benedikt Erb, M.A., am Lehrstuhl für Religionswissenschaft der Universität Bayreuth ein Seminar mit dem Titel "Die Deutsche Islamkonferenz – Rekonstruktion eines zeitgenössischen Beispiels deutscher Religionspolitik".

Ziel der Veranstaltung war es, den bisherigen Verlauf der Deutschen Islam Konferen (DIK) zu untersuchen und zu rekonstruieren und die daraus gewonnenen Erkenntnisse dokumentarisch aufzubereiten. Hierzu wurde sowohl auf Publikationen und Berichte der DIK selbst als auch auf wissenschaftliche Sekundärliteratur zurückgegriffen. Die Deutsche Islam Konferenz sprach mit Benedikt Erb über den Aufbau, die Inhalte und die Ergebnisse des Seminars.                                     

Wie sind Sie auf die Idee für das Seminar gekommen? Was war Ihre Motivation?

Portraitbild von Herrn Erb Benedikt Erb

Die Deutsche Islam Konferenz verfolge ich bereits seit ihren ersten Anfängen. Insbesondere durch meine Mitarbeit in der Jungen Islam Konferenz 2013 und die Teilnahme am Abschlussplenum der DIK 2013 hat sich mein Interesse an der DIK intensiviert. Auch durch meine Forschungen zu muslimischen Akteurinnen und Akteure zwischen Islamkritik und Islamreform im deutschsprachigen Islamdiskurs habe ich einen starken Bezug zur DIK. So lag es nahe, im Fach Religionswissenschaft einmal ein einführendes Seminar zu geben, in dem Studierende sich intensiv mit dem "Akteur" Deutsche Islam Konferenz auseinandersetzen. Ohnehin vertrete ich die Ansicht, dass es für religionspolitisch interessierte Menschen – und damit natürlich Studierende der Religionswissenschaft im Besonderen – unerlässlich ist, die DIK zu kennen und zu wissen, was sie ist, was sie tut, wer da beteiligt ist und was über die Jahre ihre Ergebnisse waren.

Dabei war meine Ausgangsthese, dass die DIK im engeren Sinne den Umgang des deutschen Staates mit dem Islam und den Muslimen in Deutschland spiegelt. Im weiteren Sinne und im Kontext der religiösen Pluralisierung der deutschen Gesellschaft kann sie aber aus meiner Sicht zudem möglicherweise als paradigmatisches Beispiel zeitgenössischer Religionspolitiken in Deutschland betrachtet werden. Damit meine ich: Auch, wenn die DIK das Etikett "Islam" trägt, lassen sich allgemein auf religiöse Pluralisierung abzielende Strategien des Staates im Umgang mit Religion bzw. Religionen von ihr ableiten. Das Seminar selbst setzte gleichwohl mehr an den Grundlagen an.

Wie lässt sich dieser Ansatz beschreiben? Was waren die Leitfragen?

Mir war bei der Konzeption des Seminars aus verschiedenen Gründen wichtig, eng am Gegenstand DIK zu bleiben, d.h. kein Seminar über den Islam in Deutschland oder die Integration von Musliminnen und Muslimen in die deutsche Gesellschaft zu machen, sondern eines, dass sich auf die Anschauung des Formats der DIK konzentriert. Wissenschaftlich gesagt: ein Seminar, das die DIK konsequent historisiert. Die Konzentration auf diesen Aspekt war nicht immer einfach, denn schließlich findet die DIK ja im Kontext der „Islamdebatte“ oder des „Diskurses über den Islam in Deutschland“ statt. Aber es diszipliniert andererseits die Forschungsperspektive der Seminarteilnehmenden, wenn die DIK analytisch als historisch eingrenzbares Geschehen anhand von Primärquellen – meist Selbstdarstellungen, Berichte und Publikationen der DIK – sowie von medialer und wissenschaftlicher Sekundärliteratur untersucht wird.

Ich wollte das Thema nicht in Form einer Meinungsdebatte bearbeiten, sondern historisch-analytisch und damit wissenschaftlich. Das gelingt zwar nicht durchgehend und zu hundert Prozent, aber wir konnten uns weitgehend von normativen Fragen lösen. Wir mussten nicht klären, ob die DIK gut oder schlecht ist, ob sie ein geeignetes religionspolitisches Instrument ist oder nicht. Stattdessen konnten wir uns klassischen Wie-Fragen widmen: Wie veränderten sich über die Jahre Themen, Konzepte und Diskussionen in der DIK? Wie verändert sich die DIK selbst bezogen auf Organisationsstruktur, Aufgaben- und Themenstellung sowie die Zusammensetzung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer? Wie wirkt sich die Arbeit der DIK im Hinblick auf konkrete religionspraktische Problemstellungen tatsächlich aus?

Über diese Seminarkonzeption ist es aus meiner Sicht gut gelungen, den Studierenden einen fundierten Überblick über die DIK zu vermitteln, der sich von einer zum Beispiel rein medialen Rezeptionsgeschichte oder einer Rekonstruktion der DIK entlang ihrer eigenen Selbstdokumentation auf der DIK-Website unterscheidet. 

Wie war das Seminars aufgebaut? In welchen Schritten haben Sie sich dem Thema genähert?

Nach einer Wissensstandabfrage haben wir uns der DIK Phase für Phase genähert. Dabei lag es nahe, der Selbstdarstellung der DIK in Form der Phasen I-IV zu folgen, die ihrerseits wiederum zeitlich in die Legislaturperioden 16 bis 19 des Deutschen Bundestags fallen. Diese Darstellung und Einteilung finden sich sowohl auf der Quellenseite als auch in der medialen und wissenschaftlichen Sekundärliteratur. Ebenfalls typisch ist die Rekonstruktion der sich von Phase zu Phase leicht verändernden Organisationsstruktur der DIK. In diesem ersten Teil des grundsätzlichen, auch strukturell interessierten Kennenlernens der DIK griffen wir vor allem auf wissenschaftliche Sekundärliteratur zurück, u.a. von Levent Tezcan, Masoumeh Bayat, Naika Foroutan und Korinna Schäfer.

Dem historisch-rekonstruktiven Ansatz folgend war die zentrale Aufgabenstellung des Seminars, die DIK in Form eines Zeitstrahls chronologisch zu rekonstruieren. Es gibt hier praktische IT-basierte Werkzeuge im Internet, die einerseits benutzerfreundlich sind und es andererseits erlauben, vielfältige multimediale Quellen einzubetten. Das spielt insofern eine Rolle, als das Gros des Materials über die DIK Internetquellen sind. Inspiration war uns dabei der DIK-Zeitstrahl des Mediendiensts Integration, auf den wir dankenswerterweise auch aufbauen durften. So entstanden multimediale Zeitleisten zum Beispiel zu den Fragen "Wie werden die Themen Islamunterricht und islamische Seelsorge in der DIK verhandelt?" oder "Wie verändert sich der Diskurs zur Ausbildung religiösen Personals in der DIK?".

Zum Abschluss des Seminars wurden Arbeitspapiere verfasst und diskutiert, in denen die Studierenden zu den jeweiligen Aspekten den Stand ihrer Forschung und ihrer Arbeiten am Zeitstrahl vorstellten.

Wie kam das Seminar bei den Teilnehmern an? Welche Rückmeldungen haben Sie von Ihren Studentinnen und Studenten bekommen?

Sowohl die Vorwissensstandabfrage als auch der Verlauf des Seminars zeigten, dass die Studierenden eine intrinsische Motivation für das Seminarthema mitbrachten: Sie hatten sich das Seminar bewusst gewählt und brachten bestimmte Fragen und Wissensbedarfe mit; dadurch entstand eine sehr interessierte Atmosphäre und alle waren neugierig und immer wieder auch gewillt, kritische Fragen zu stellen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Seminars haben sich sehr intensiv mit ihren jeweiligen Forschungsfragen befasst und sich die DIK dadurch sukzessive selbständig erschlossen. Dabei haben sie sich durch unzählige Dokumente der DIK gearbeitet und eigene Thesen und Positionen zur DIK entwickelt. Immer wieder – und auch das ist ja ein Erkenntnisgewinn – galt es dabei, nicht in Meinungsdebatten abzugleiten, sondern in einem analytischen Modus zu bleiben.

Was sind die aus Ihrer Sicht zentralen Ergebnisse? Gab es auch überraschende Einsichten?

Forschungsergebnisse im engen Sinne einer Neuinterpretation des Gegenstands oder der Herausarbeitung noch nicht benannter Aspekte der DIK waren aufgrund der Grundanlage des Seminars nicht zu erwarten. Aber es gibt die studentischen Arbeiten, in denen ausgewählte Aspekte, Schwerpunkte und Dimensionen der DIK in multimedialer Form mittels Zeitstrahl chronologisch rekonstruiert und damit anders als in klassischen Hausarbeiten bearbeitet werden.

Ein interessantes Ergebnis ist darüber hinaus, dass zwar die ersten beiden Phasen der DIK wissenschaftlich gut bis sehr gut erschlossen sind. So finden sich zahlreiche, vor allem politik-, medien-, sozial- und rechtswissenschaftliche, zum Teil auch theologische und religionspädagogische Auseinandersetzungen mit der DIK und ihren Themen. Für die dritte Phase gilt dies so aber nicht. Hier fehlt wissenschaftliche Sekundärliteratur weitgehend. Das liegt natürlich u.a. daran, dass gegenwartsbezogene Forschung immer einen gewissen zeitlichen Nachlauf hat. Es ist aber auch auf die relative Unsichtbarkeit dieser Phase zurückzuführen. Medial ist die Phase ja nicht annähernd so dicht repräsentiert wie beispielsweise die Phasen I und II. Zugleich – das hat unsere Auseinandersetzung mit dem Thema gezeigt – wurde eben dieser Verlauf der DIK unterhalb des Radars der breiteren Wahrnehmung ganz unterschiedlich gewertet: Einige Zeitungsbeiträge schätzten das als Ausdruck einer stillen, weil konstruktiv-konzentrierten Arbeitsatmosphäre, andere kritisierten es als Abtauchen in unwichtige Detailfragen.

Allgemein gilt, dass die Sekundärliteratur rund um die DIK ganz überwiegend von direkt mit ihr in Verbindung stehenden Personen stammt. Eine Ausnahme ist zum Beispiel die Dissertationsschrift von Masoumeh Bayat über "Die politische und mediale Repräsentation in Deutschland lebender Muslime". Doch auch für diese Arbeit gilt wie für die meisten anderen Beiträge über die DIK oder über Diskurse wie die "Islamdebatte": Sie sind mindestens teilweise immer auch dadurch mitgeprägt, dass die Autorin oder der Autor eine eigene wertende Position hat und einnimmt. Anders gesagt: Auch wissenschaftliche Beiträge zur DIK, den in ihr geführten Debatten und behandelten Themen sind überwiegend befürwortender bzw. ablehnender, empfehlender, kritisierender, handlungsorientierender oder anderweitig in den Forschungsgegenstand eingreifender Natur. Aus wissenschaftlicher Sicht ist das Fehlen einer weitgehend neutralen, normativ distanzierten Perspektive auf die DIK ein Desiderat. Und es wäre erfreulich, wenn diese Forschungslücke sich in den nächsten Jahren schlösse.