DIK-Videokonferenz Imamausbildung , , Videokonferenz im Rahmen der DIK am 10. November 2020 mit Bundesinnenminister Horst Seehofer zum Thema "Die Ausbildung religiösen Personals islamischer Gemeinden in Deutschland – Stand und Perspektiven"
Am 10. November 2020 fand im Rahmen der Deutschen Islam Konferenz, dem seit 2006 bestehenden Forum für den Dialog zwischen Staat und Muslimen in Deutschland, eine Videokonferenz mit dem Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Horst Seehofer, zur Ausbildung religiösen Personals islamischer Gemeinden ("Imamausbildung") statt.
Die Veranstaltung konnte Corona-bedingt nicht wie für die DIK üblich und ursprünglich geplant in Präsenz eines größeren Teilnehmerkreises stattfinden. Der Bundesinnenminister eröffnete die Veranstaltung mit einer Rede, die per Live-Stream öffentlich zu verfolgen war und nun als Aufzeichnung und in Textform auf der Website der DIK verfügbar ist.
An der nachfolgenden Videokonferenz nahmen Musliminnen und Muslime von sechs verschiedenen Standorten in Deutschland aus teil, die sich im Rahmen der DIK und auch darüber hinaus praktisch in das Thema der Ausbildung religiösen Personals einbringen. Dieser Teil war nicht öffentlich und diente in erster Linie der Erörterung des Standes und der Perspektiven der Imamausbildung in Deutschland. Es nahmen teil (in der Reihenfolge der Redebeiträge):
- Dr. Benjamin Idriz, Imam, Islamische Gemeinde Penzberg
- Şeyda Can, DITIB, Leiterin der DITIB-Akademie und verantwortlich für das DITIB-Ausbildungsprogramm
- Dr. Esnaf Begić, Vorsitzender, und Prof. Dr. Bülent Uçar, wissenschaftlicher Di-rektor des Islamkolleg Deutschland e.V. (IKD)
- Prof. Dr. Mouhanad Khorchide, Leiter des Zentrums für Islamische Theologie, Universität Münster
- Erol Pürlü, Dialogbeauftragter des Verbandes Islamischer Kulturzentren (VIKZ)
- Dr. Raida Chbib, Geschäftsführerin der Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (AIWG), Universität Frankfurt am Main
Größer darstellen Quelle: Henning Schacht
Benjamin Idriz schilderte zunächst die Anforderungen an die Tätigkeit eines Imams in Deutschland und betonte dabei unter anderem die Bedeutung einer langfristigen und dauerhaften Anstellung der Geistlichen in den Gemeinden. Zusätzlich zu einer fundierten theologischen und praktischen Ausbildung seien vor allem deutsche Sprachkenntnisse, Kenntnis und Bekenntnis zu Rechtstaat und Rechtsordnung, aber auch praktische zusätzliche Fähigkeiten in der Gemeindearbeit mit Frauen und Jugendlichen unabdingbar.
Şeyda Can schilderte daran anschließend das Ausbildungsprogramm für islamische Religionsbeauftragte (Imame und weiteres religiöses Personal islamischer Gemeinden), das die DITIB-Akademie seit Januar 2020 eigenständig in Dahlem (Eifel) in deutscher Sprache durchführt, und das sich an Absolventinnen und Absolventen islam-theologischer Studiengänge - darunter auch der Institute für islamische Studien an deutschen Universitäten - richtet. Sie kündigte an, dass 2021 ein zweiter Ausbildungslehrgang starte und 2022 mit den ersten Absolventinnen und Absolventen zu rechnen sei. Can betonte zudem die sich ausdifferenzierenden Berufsfelder innerhalb der islamischen Gemeinden (u.a. Predigt, Gemeindepädagogik, Seelsorge), die in der praktischen Ausbildung z.B. über mögliche Schwerpunktsetzungen berücksichtigt werden müssten.
Dr. Esnaf Begić und Prof. Dr. Bülent Uçar stellten daraufhin das Islamkolleg Deutschland vor, das derzeit im Rahmen eines bundesweiten, vom BMI und dem Land Niedersachsen geförderten Modellprojekts die Curricula für die Ausbildung von Imamen und weiterem religiösen Personal erstellt und ab 2021 mit der Ausbildung in deutscher Sprache beginnen wird. Ziel sei es, einen in Deutschland beheimateten Islam zu befördern. Im Islamkolleg Deutschland wirken vor allem muslimische Dachverbände mit, die aufgrund ihrer Strukturen und Mitgliederzahlen bisher keine eigenständigen Ausbildungsgänge aufbauen konnten. Das Programm, so Begić und Uçar weiter, richte sich sowohl an Absolventinnen und Absolventen der universitären Studiengänge für islamische Theologie als auch in Form von Fort- und Weiterbildungsangeboten an bereits tätiges Gemeindepersonal. Neben religionspraktischen Modulen seien u.a. auch Module der politischen Bildung sowie zur sozialen Arbeit vorgesehen.
Prof. Dr. Mouhanad Khorchide präsentierte seinerseits Planungen zur Einrichtung eines Zertifikatskurses der Universität Münster in Kooperation mit dem nordrhein-westfälischen Landesverband des Bündnis Malikitische Gemeinde zur Aus- und Fortbildung von Imamen in Nordrhein-Westfalen. Dieser Kurs solle neben gesellschaftskundlichen Komponenten auch methodische Kompetenzen im Umgang mit religiösen Texten vermitteln, insbesondere historisch-kritische Methoden des Verstehens. Ziel sei eine Identität des "Wir" zu befördern - und damit einen Islam, in dem sich Gläubige nicht zwischen ihrer Religion oder ihrer Zugehörigkeit zu Deutschland entscheiden müssten.
Erol Pürlü stellte in seinem Beitrag die über dreißigjährige Praxis und Erfahrung des VIKZ in der Ausbildung des eigenen religiösen Personals vor. Der VIKZ bilde Imame in einer vierjährigen Ausbildung einschließlich eines Praxisjahrs in Form einer Berufsausbildung aus. Pürlü betonte dabei auch die bisherigen Erfolge und Schwierigkeiten hinsichtlich der staatlichen Anerkennung der Ausbildungsgänge und forderte an dieser Stelle ein größeres staatliches Engagement: Einerseits Ausbildungsmöglichkeiten für Imame in Deutschland zu fordern, verlange andererseits auch die Bereitschaft, die geschaffenen Ausbildungsgänge, wenn die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt seien, auch anzuerkennen.
Dr. Raida Chbib griff das Thema der Anerkennung der Ausbildungsgänge auf und präsentierte die AIWG als geeignete Einrichtung, um diese Frage im Dialog zwischen Vertreterinnen und Vertretern der islamischen Gemeinschaften, der staatlichen Verwaltungen insbesondere der Länder sowie der Wissenschaft zu vertiefen. Darüber hinaus verwies sie auf das Engagement der AIWG hinsichtlich des internationalen Austauschs zum Thema Imamausbildung und ging kurz auf die Situation in einigen Mitgliedsstaaten der EU ein.
Bundesinnenminister Horst Seehofer dankte im Anschluss den Teilnehmerinnen und Teilnehmern für ihr großes Engagement in der DIK und darüber hinaus und begrüßte die verschiedenen Initiativen zur Beförderung einer Imamausbildung in Deutschland und in deutscher Sprache. Nachfragen drehten sich unter anderem um das Thema, wie Imame später in den Gemeinden eingestellt werden könnten oder welche weiteren Tätigkeiten für die Absolventinnen und Absolventen infrage kämen. Hier richtete sich der Blick auf den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen sowie die Seelsorge in öffentlichen Einrichtungen (vor allem die Gefängnis- und Militärseelsorge). Der Bundesinnenminister betonte abschließend, dass die DIK das Thema mit der Videokonferenz am 10. November 2020 nicht abschlossen habe und sagte zu, dass sich die DIK im Rahmen ihres Themenschwerpunkts der Ausbildung religiösen Personals islamischer Gemeinden insbesondere auch auf die Frage der Anerkennung der Ausbildungsgänge konzentrieren werde.