Imame an die Universität ,
"Integrationspolitiker sollten die Rolle der Imame nicht überhöhen"
, mahnte kürzlich der Islamwissenschaftler Michael Kiefer angesichts der Aufmerksamkeit, die seit einiger Zeit Imamen gewidmet werde.
Imame seien keine Integrationslotsen, Erziehungshelfer, Sozialarbeiter, Mediatoren oder Extremismusbeauftragte, sondern zunächst einmal Vorbeter, vielleicht noch Seelsorger und Religionslehrer.
Potential von Imamen nutzen, ohne zu überfordern
Aber was tun, wenn all diese vielen Ansprüche täglich an Imame gestellt werden? Weiterqualifizieren, lautet die Antwort vieler Integrationspolitiker, so auch Niedersachsens Minister für Inneres, Sport und Integration Uwe Schünemann. Gemeinsam mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge will sein Ministerium eine Fortbildung von Imamen dauerhaft etablieren und damit auch den Empfehlungen der Deutschen Islam Konferenz Rechnung tragen.
Erstmals soll dies an einer deutschen Universität, der Universität Osnabrück, stattfinden. Seit Anfang des Jahres arbeitet eine interministerielle Arbeitsgruppe, verstärkt durch mehrere Professoren, an einem Konzept für die zum Wintersemester 2010/2011 beginnende universitäre Fortbildung. In die Konzeption der universitären Fortbildung sind die islamischen Organisationen zwar einbezogen, das Programm wird aber vom Staat verantwortet.
Zwei Semester für Gesellschaft/Politik, Gemeindepädagogik und Sprache
Da es sich bei der auf zwei Semester angesetzten Fortbildung zunächst um ein staatliches Angebot handelt und die in Deutschland tätigen Imame in der Regel theologische Kenntnisse mitbringen, liegt der Fokus der Fortbildung auf den drei großen Themenfeldern Politik und Gesellschaft, Gemeindepädagogik und Sprache.
Ziel ist es dabei jedoch nicht, aus den Imamen Integrationslotsen zu machen, sie sollen aber in die Lage versetzt werden, ihre Gemeindemitglieder auch in Alltagsfragen zu beraten, bzw. an spezialisierte Beratungseinrichtungen zu verweisen. Dazu ist ein grundlegendes Wissen über Strukturen, Abläufe und Institutionen in Deutschland notwendig, häufig aber auch über die besondere Situation von muslimischen Migranten in einer pluralen Gesellschaft.
Die Vermittlung von Wissen bildet daher die eine Säule der Fortbildung, die Aneignung von Kompetenzen die zweite. Vor allem für die Jugend- und Gemeindearbeit, die immer auch den interreligiösen Dialog mit einbezieht, sollen die Imame qualifiziert werden - also pädagogische und interkulturelle Kompetenzen erwerben.
Für den Dialog nach innen und nach außen spielt die deutsche Sprache eine entscheidende Rolle. Viele Muslime, so auch die Imame sind es nicht gewöhnt, zentrale islamische Begriffe auf Deutsch zu verwenden. Auch hier soll das Weiterbildungsprogramm unterstützen und die Kommunikationskompetenz der Imame verbessern und so in der Folge auch die Kompetenzen ihrer Gemeinden erweitern.
Fortbildung ist auf individuelle Kompetenzen zugeschnitten und berufsbegleitend
Es ist viel, was den Imamen in der recht kurzen Zeit an Wissen angeboten wird und es ist eine logistische Herausforderung. Das Universitätsprogramm soll berufsbegleitend angeboten werden, um den Imamen die Fortführung ihrer Tätigkeit zu ermöglichen. Den unterschiedlichen Kenntnisständen der Imame will die Arbeitsgruppe mit einem modularisierten Programm entgegenkommen. So soll jeder Imam individuell seine Kenntnisse vertiefen und seine Kompetenzen stärken können. Dass dies einen hohen organisatorischen Aufwand bedeutet, insbesondere wenn noch die unterschiedlichen Sprachkenntnisse der Imame berücksichtigt werden müssen, steht außer Frage.
Angedacht: Grundständiger Studiengang zur Imamausbildung
Dennoch denkt man im niedersächsischen Innenministerium schon einen Schritt weiter. Langfristig sollen in Deutschland aufgewachsene muslimische Abiturienten an der Universität einen Bachelorstudiengang absolvieren können, der sie zum Imam qualifiziert. Anders als bei der Fortbildung kann jedoch eine theologische Ausbildung nur in Kooperation mit einer oder mehreren islamischen Religionsgemeinschaft angeboten werden.
Nur diese Kooperation stellt sicher, dass die an einer staatlichen Universität ausgebildeten Imame von den islamischen Organisationen auch angenommen und beschäftigt werden. Da es bisher jedoch noch an entsprechend verfassten Religionsgemeinschaften mangelt, stellt diese Frage Bundesländer wie Niedersachsen vor ähnliche große Herausforderungen wie bei der Einrichtung von islamischem Religionsunterricht an öffentlichen Schulen. Pragmatismus bleibt also gefragt.
Steffi Redmann, 21.12.2009