Streitthema Moscheebau? , Datum: 21.06.2013, Format: Artikel

Moscheebau ist kein einfaches Terrain. Allerdings können Streitigkeiten überwunden, oder sogar schon im Vorfeld vermieden werden. Ein Universalrezept, wie das sicher gelingt, gibt es nicht.

Dass da eine Fallhöhe ist, ahnt auch der unverwüstliche Optimist. Aber auf ein solch böses Erwachen war Daniel Abdin nicht eingestellt. Als ein Immobilienmakler ihn durch das entweihte Kirchengebäude in Hamburg-Horn führte, hatte Adbin spontan eine "Win-win-Situation" vor Augen. Nicht nur schien das verlassene Gotteshaus baulich ideal für seine muslimische Gemeinde, deren Versammlungsort bisher eine Tiefgarage war und die schon seit langem nach einem geeigneten Ort gesucht hatte. Auch für die ehemaligen Kirchgänger wäre dies ein Gewinn, glaubte Abdin, schließlich würde seine Gemeinde das verkommene Kirchgebäude, das jahrelang leer stand, sanieren und nur behutsam verändern. Doch weit gefehlt. Anwohner äußerten Bedenken, Neonazis marschierten auf, und der Präsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche, Hans Ulrich Anke, sagte, die geplante Umwandlung der Kirche in eine Moschee sei "kein angezeigter Weg".

Moscheeprojekte sind auch im Jahr 2013 in Deutschland kein unbeschwertes Thema. Doch sie müssen nicht negativ verlaufen. Unter bestimmten Voraussetzungen hat Optimismus, aller Fallhöhe zum Trotz, eine reale Berechtigung. Zuweilen braucht es Geduld, wie in Berlin-Heinersdorf. Die Ahmadiyya-Gemeinde hatte mit erheblichen Protesten zu kämpfen, nachdem ihr 2006 ein Moschee-Neubau genehmigt worden war. Ein Anwohnerverein versuchte, die Moschee zu verhindern. "Jetzt, sieben Jahre später, gibt es keine Proteste mehr", resümiert Imam Abdul Basit Tariq. Wie die Gemeinde das geschafft habe? Geholfen hätten ihr letztlich die Moscheegegner selbst – mit ihren teils fantastischen Vorwürfen. "Es hieß, dass Grundstückpreise in der Nachbarschaft fallen werden, dass der Andrang zu den Freitagsgebeten zum Verkehrskollaps führen müsse, dass der Muezzin frühmorgens alle Anwohner aus den Betten reißen und sogar, dass wir absichtlich nahe der Autobahn bauen würden, um nach einem Anschlag, der von uns begangen wird, schnell zu fliehen. Das ist alles offensichtlich nicht eingetreten", so Tariq.

Keine osmanische Architektur – hilft das?

"Widerstände gegen neue Moscheegründungen gehen meist nicht auf theologische Motive zurück, sondern auf lebensweltliche Betroffenheit, auf Überfremdungsängste", glaubt Thomas Schmitt, Kulturgeograph an der Universität Erlangen. Erst komme die Moschee, dann orientalisiere sich das ganze Viertel, laute eine häufige Angst. Doch was können Muslime tun, die ihr Recht auf
Religionsfreiheit nutzen wollen? Nun ja, antwortet Schmitt zögerlich. "Nachdem ich vor gut zehn Jahren meine Dissertation zum Thema Moscheebau schrieb, hatte ich empfohlen, für Neubauten keine rein osmanische Architektur zu wählen". Eine nachvollziehbare, naheliegende Empfehlung – zu der die Wirklichkeit in Einzelfällen durchaus überkreuz laufen kann. Während die Kölner Zentralmoschee, die eine markant postmoderne Architektur hat, zu vielen Kontroversen geführt hat, ist die Duisburger Moschee, mit ihrer klassischen Silhouette, gut angenommen worden. Bestehen bleibt am Ende nur die Regel, dass es keine Regel gibt. "Von Universalrezepten müssen wir uns verabschieden", lautet Schmitts Bilanz.
Eine Ausnahme ist jedoch eine "lokale Einbettung", eine aktive Präsenz bei den Akteuren vor Ort, eine Teilnahme an Straßenfesten etwa, einem Dialog mit gesellschaftlichen Akteuren wie der lokalen Polizei oder den Kirchenvertretern. Auf diese Weise wurde auch das "Wunder von Marxloh" möglich. Denn als es in Duisburg-Marxloh gelang, einen Moschee-Neubau ohne Proteste umzusetzen, war die "Einbettung" der Schlüssel. Auch die Gemeinde von Imam Tariq aus Berlin ist in der Nachbarschaft aktiv und konnte damit Vorbehalte abbauen.
Die Duisburger Moscheegemeinde hatte während des Bauprozesses außerdem einen Beirat gegründet. Hier waren zentrale Repräsentanten der Stadtgesellschaft, einschließlich der christlichen Kirchen, vertreten. "Nur durch Dialog kann man gegen den Kurzschluss angehen, dass es in der Tat religiös begründeten Terrorismus gibt, aber deswegen die muslimische Gemeinde vor Ort eben nicht extremistisch sein muss", erläutert Schmitt.

Streitpunkt Minaretthöhe

In der Forschung lässt sich der Moscheebau sauber in "Dimensionen" aufteilen, in eine städtebauliche, ethnische und religionsbezogene etwa. Doch solche Unterscheidungen sind und bleiben akademisch. Kommt es zu Streit, laufen alle Ebenen durcheinander. Wenn über formale Argumente wie die Minaretthöhe gestritten wird, ist dies oft nur ein Angriffspunkt, eine Projektion. Rational lassen sich solche Diskussionen nicht entschärfen – "es kann daher klug sein, wenn die Bauherren in solchen Situation auch einmal über ihren Schatten springen und zumindest in Details von ursprünglichen Plänen abweichen, um Kompromissbereitschaft zu signalisieren", empfiehlt Schmitt.
Trotzdem: es bleibt ein Moment der Unkontrollierbarkeit. Oft versuchen bei geplanten Moscheebauten rechtspopulistische Parteien, die Anwohner aufzuwiegeln. Sie nutzen die Überfremdungsängste und Ressentiments. Um dem zu entgehen, empfiehlt Schmitt die Haltung eines mündigen, selbstbewussten Bürgers: "Tatsächlich soll man nicht jeden Moscheeverein blind unterstützen, man soll kritisch und zugleich mit Wohlwollen prüfen, wen man dort vor sich hat".

Integration über einen Umweg

In Berlin-Heinersdorf gingen populistische Anfeindungen gegen die Moschee am Ende nicht auf. Sie riefen mehrere Bürgerinitiativen und Gruppen auf den Plan, darunter "Heinersdorf öffne dich". "Das haben sie nicht in erster Linie aus Sympathie zu unserer Gemeinde getan, sondern weil für sie die Grundrechte ein hohes Gut sind, und die sahen sie hier bedroht", kommentiert Imam Tariq. Auf diese Weise haben die Anfeindungen der muslimischen Gemeinde ihr am Ende geholfen, sich in der Nachbarschaft zu integrieren. Ein trauriges Paradox, mit aber doch erfolgreichem Schlusspunkt.
Eine ähnliche Erfahrung machte auch Daniel Abdin bei seinem Vorhaben, in der entweihten Kirche eine Moschee einzurichten. Es kündigte sich ein rechtsradikaler Aufmarsch an. "Am Ende sind 28 Neonazis gekommen - und 600 Gegendemonstranten". Auch in der Dialogarbeit ist Abdin ein alter Hase. In Hamburg-St. Georg, wo die Gemeinde bisher angesiedelt ist, kümmert er sich seit 13 Jahren um die "lokale Einbettung" im Viertel. Dies setzt Abdin nun in Hamburg-Horn fort. Gute Voraussetzungen also, dass sich auch dort die Wogen glätten.

"Ich bin ein positiver Mensch, ich glaube an Dialog", sagt Abdin. Dass hier nicht bloß der unverbesserliche Berufsoptimist redet, zeigt ein Beispiel aus Schottland, wo ebenfalls eine muslimische Gemeinde nach einem neuen Versammlungsort suchte. "Macht das doch bei uns", lud sie eine anglikanische Kirche ein. So geschah es. Um Raumbelegung brauchen sich die beiden Parteien keine Gedanken zu machen. Ihren Gottesdienst feiern die Christen am Sonntag, die Muslime traditionell am Freitag.

Thilo Guschas, 21.06.2013