Aleviten und ihre Geistlichen, die Dedes – ein Überblick , Datum: 01.07.2020, Format: Artikel

Aleviten sind – verkürzt gesagt – als eine eigenständige Strömung bzw. Glaubensrichtung zu charakterisieren. Ob es sich dabei um eine eigenständige Strömung innerhalb des Islam oder unabhängig davon handelt, ist jedoch insbesondere unter Aleviten umstritten. Laut der Studie "Muslimisches Leben in Deutschland" leben hierzulande rund 500.000 Aleviten, was einem Anteil an allen in Deutschland lebenden Muslimen von ca. 13 Prozent entspricht. Die meisten der Aleviten hierzulande stammen aus der Türkei; etwa drei Viertel aller Aleviten in Deutschland bezeichnen sich als Muslime. Die Alevitische Gemeinde Deutschland (AABF = Almanya Alevi Birlikleri Federasyonu) vertritt nach eigenen Angaben ca. 150 lokale Gemeinden. Sie ist in mehreren Bundesländern als eigenständige Religionsgemeinschaft ein Kooperationspartner bei der Einrichtung eines bekenntnisorientierten alevitischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen. Die Alevitische Gemeinde nimmt seit 2006 an der Deutschen Islamkonferenz (DIK) teil.

Im Alevitentum werden die Inhalte des Koran nicht wörtlich, sondern im übertragenen Sinn ausgelegt. Damit einhergehend unterscheiden sich Aleviten in zentralen religiösen Überzeugungen und Praktiken vom sunnitischen und schiitischen Islam. So spielen beispielsweise die Pilgerfahrt nach Mekka, der Fastenmonat Ramadan oder die Scharia im Alevitentum nur eine untergeordnete oder gar keine Rolle. Zudem werden Glaubensinhalte vorrangig in der mündlichen Tradition, das heißt in Form von Liedern, Gedichten und Erzählungen weitergegeben.

Die Bezeichnung für einen alevitischen Geistliche ist nicht "Imam", sondern "Dede". Zu den wesentlichen Aufgaben eines Dede zählt die Leitung des Cems, der religiösen Zeremonie. Diese Gottesdienste feiern Männer und Frauen gemeinsam. Sie tun dies nicht in Moscheen, sondern in "Häusern der Versammlung", sogenannten Cem-Häusern.

Neben der Rolle als Geistlicher im engen Sinne übernimmt ein Dede oft auch weitere Aufgaben. So ist er z.B. in seiner Gemeinde seelsorgerisch aktiv und wird bei der Schlichtung von Streitigkeiten eingebunden, wobei er dabei dezidiert keinerlei Sanktionen verhängt bzw. verhängen darf.

Das Alevitentum in der Türkei hat eine lange Geschichte, die über weite Strecken von Unterdrückung bzw. Vereinnahmungsversuchen geprägt war. Das Alevitentum in Deutschland ist hingegen eine – auch integrationspolitische – Erfolgsgeschichte. Schon vergleichsweise früh erfüllte die Alevitische Gemeinde Deutschland die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen einer Religionsgemeinschaft und ist damit auch ein Beispiel dafür, dass das deutsche Religionsverfassungsrecht religionsneutral und "offen" für neue Religionsgemeinschaften ist..