Islamischer Religionsunterricht , Datum: 01.07.2020, Format: Artikel

Die Bemühungen und Ansätze, islamischen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen einzurichten und anzubieten, reichen bis in die späten 1970er Jahre zurück.

Die Organisation des im Grundgesetz in Artikel 7 Absatz 3 verankerten bekenntnisorientierten Religionsunterrichts, so auch des islamischen, liegt in der Hoheit der Bundesländer. Von dieser bekenntnisorientierten Variante zu unterscheiden ist der religionskundliche Unterricht. Dieser informiert die Schüler neutral über die Religion, während im bekenntnisorientierten Unterricht "zur Religion hin" bzw. "aus der Religion heraus" unterrichtet wird von Lehrkräften, die der Religion angehören. Ebenso sind es nach der Verfassungsordnung der Bundesrepublik die Länder, die für die Prüfung, ob religiöse Organisationen die Voraussetzungen einer Religionsgemeinschaft nach Art. 7 Abs. 3 GG erfüllen und somit Partner bei der Einführung des Religionsunterrichts sein können, zuständig sind. Ein die Mehrheit der Muslime umfassender bekenntnisorientierter islamischer Religionsunterricht in den Bundesländern scheitert bislang im Kern daran, dass die existierenden islamischen Verbände die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Anerkennung als Religionsgemeinschaften im Sinne des Grundgesetzes nicht erfüllen.

Vor diesem Hintergrund griff die Deutsche Islam Konferenz (DIK) das Thema im Jahr 2008 auf und konkretisierte die Voraussetzungen für die Einführung von islamischem bekenntnisorientiertem Religionsunterricht nach Art. 7 Abs. 3 des Grundgesetzes. Die Deutsche Islam Konferenz verband dabei die Bekräftigung und Klarstellung der geltenden Bedingungen mit der Möglichkeit, zunächst einen Religionsunterricht Form von Übergangslösungen anzubieten (DIK-Empfehlung Islamischer Religionsunterricht 2008). In der Folge betraten die Bundesländer bei der Einführung islamischen Religionsunterrichts im Rahmen von Übergangslösungen juristisch und politisch Neuland. Die Modelle und Übergangslösungen variieren von Bundesland zu Bundesland und wurden bzw. werden zum Teil im Lauf der Zeit angepasst. Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal ist dabei die Form der Einbeziehung islamischer Religionsgemeinschaften in die inhaltliche und organisatorische Ausgestaltung des islamischen Religionsunterrichts.

Islamischer Religionsunterricht in den Bundesländern – ein Überblick

Hinweis

Der Überblick ist eine Momentaufnahme mit Stand 1.Juni 2020; die Kultusministerkonferenz [KMK] veröffentlicht auf ihrer Internetseite Erhebungen zum Stand des Religionsunterrichts in Deutschland, mehr dazu unter www.kmk.org.

In Hessen bieten die Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ) und der Landesverband von DITIB als Religionsgemeinschaften und in Kooperation mit dem Land einen jeweils eigenen bekenntnisorientierten Religionsunterricht an. Es handelt sich in Hessen daher auch nicht um eine Übergangslösung. Im Mai 2020 setzte Hessen den bekenntnisorientierten Religionsunterricht mit DITIB aus und nannte hierfür vor allem Zweifel an der Unabhängigkeit des DITIB-Landesverbands von der türkischen Regierung als Grund.

In Niedersachsen und NRW wurde dagegen bei der Durchführung des bekenntnisorientierten Religionsunterrichts ein Beiratsmodell gewählt. Hauptaufgabe dieser Beiräte ist es, die verfassungsrechtlich gebotene Mitwirkung der religiösen Gemeinschaften sicherzustellen. So überprüfen sie die Lehrpläne und das Lehrmaterial oder erteilen die Lehrerlaubnis (arab. idschaza) an die Lehrkräfte. In Niedersachsen besteht der vierköpfige Beirat aus jeweils zwei Vertretern des Landesverbandes von DITIB und der SCHURA-Niedersachsen. Verbandsunabhängige Mitgliedschaften sind in diesem Modell nicht vorgesehen.

In NRW bestand zunächst das Modell eines gemischten Beirates. Dessen Mitglieder wurden jeweils zur Hälfte von den mitwirkenden Verbänden sowie der Landesregierung ernannt. Im Juni 2019 beschloss der Landtag NRW, den Beirat durch eine Kommission zu ersetzen, deren Mitglieder entsprechend dem Beirat in Niedersachsen ausschließlich von den islamischen Verbänden ernannt werden sollen. Das Kommissionsmodell in NRW sieht zudem eine Erweiterung des Kreises der teilnehmenden Verbände zugunsten kleinerer Zusammenschlüsse vor.

In Rheinland-Pfalz und im Saarland wird islamischer Religionsunterricht in Modellversuchen ebenfalls in Zusammenarbeit mit islamischen Verbänden angeboten.

In Hamburg und Bremen findet interkonfessioneller Religionsunterricht für alle Schüler in staatlicher Verantwortung unter teilweiser Einbindung islamischer Verbände statt. In Bremen wird dabei ebenso wie in Berlin aufgrund der Bremer Klausel (Art. 141 GG) kein konfessioneller Religionsunterricht im Sinne des Art. 7 Abs. 3 GG erteilt.

Im Gegensatz hierzu steht das Modell des islamkundlichen Unterrichts ohne Beteiligung islamischer Verbände, wie er in Bayern und Schleswig-Holstein angeboten wird. In Bayern wurde der Modellversuch einer Evaluation unterzogen und 2019 um zwei weitere Jahre verlängert.

In Baden-Württemberg wird islamischer Religionsunterricht im Rahmen eines Modellprojekts seit 2006 angeboten. Im 2014 berufenen Projektbeirat, der dem Land als Beratungsgremium bei inhaltlichen Fragen diente, waren unter anderem die jeweiligen Landesverbände von DITIB und der Islamischen Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland (IGBD), der Landesverband der Islamischen Kulturzentren Baden-Württemberg (LVIKZ) und die Islamische Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg (IGBW) vertreten.

Der Weg über einen Projektbeirat wurde im Sommer 2019 durch das Modell einer Stiftung "Sunnitischer Schulrat" abgelöst. Hierbei handelt sich es um eine Stiftung des öffentlichen Rechts, die aus einem Vorstand mit fünf sowie einer Schiedskommission mit drei Mitgliedern besteht.

Der Vorstand ist für bekenntnisrelevante Fragen und die Ausbildung von Religionslehrkräften an den Hochschulen zuständig. Dies umfasst die Prüfung und Zulassung von Lehrmaterialien sowie die Erteilung von Lehrbefugnissen.

Zwei Mitglieder des Vorstandes wurden von den teilnehmenden Verbänden der Islamischen Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland und des Landesverbands der Islamischen Kulturzentren Baden-Württemberg LVIKZ benannt. Drei weitere Mitglieder, die aus dem Bereich der islamischen Religionspädagogik und -theologie stammen, wurden im Einvernehmen mit dem Land benannt. Die bisher im Projektbeirat vertretenen Verbände DITIB und IGBW haben dagegen eine Zusammenarbeit in der neuen Stiftung abgelehnt.

In den ostdeutschen Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen besteht derzeit kein islamischer Religionsunterricht.